Karin Park

Wäre Karin Parks fünftes Album „Apocalypse Pop“ (VÖ: 27.03. via Oblivion) ein Theaterstück, der Song „Walls Are Gonna Fall“ wäre die Schlüsselszene. Denn in Karin Parks Welt wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. Eigentlich müsste sie sich John Lennons vielzitierten Aphorismus „Life is what happens while you're busy making other plans“ auf die blasse Haut tätowieren lassen; dies erlebte sie nämlich im vergangenen Jahr auf unbarmherzige Weise am eigenen Leib. „Meinem Freund wurde Krebs diagnostiziert, wir wussten eine ganze Weile nicht, ob er überleben wird“, sagt die 1.90 m große androgyne Schönheit mit dem Tilda-Swinton-Charme und atmet schwer. Ja, es klingt simpel und auf den ersten Blick nach einer küchenpsychologischen Erkenntnis, wenn sie sagt: „Ich habe verstanden, dass wirklich alles jeden Augenblick vorbei sein kann, und deswegen will ich nun nur noch machen, was mich glücklich macht.“ Aber sind nicht die wichtigsten Wahrheiten im Leben die vermeintlich banalsten?

 

Doch Gott bewahre vor zu viel Euphorie, es sind längst nicht alle Konflikte gelöst. Karin Park ist eine Rastlose, die vielleicht nie ganz mit der Welt im Reinen sein wird, denn als Künstlerin braucht sie die Reibung wie die Luft zum Atmen. „Theres a hurricane in my mind“, singt sie im Duett mit Pandora Drive und gibt zu: „ich habe oft Probleme, meine chaotischen Gedanken zu sortieren“.

 

Auch musikalisch wird Karin Park nie ein Kind des Minimalismus sein, so tanzt sie teilweise unbeschwert und entrückt wie Björk durch die Synthie-Layers, konzentriert sich aber textlich auf das Wesentliche. Oder aber auch verstörend und krude, wenn ihre dunkle Seite durchbricht, der Hang zur Selbstzerstörung sie zwingt alles kaputt zu machen und am Ende nur noch Traurigkeit übrig bleibt.

 

So bleibt „Apocalypse Pop“ trotz aller Erkenntnis über die Endlichkeit des Lebens dramatisch,  auf eine dunkle Art romantisch und nur teilweise versöhnlich. Das spiegelt sich auch musikalisch wieder, wenn irreführende Kinderlied-Hooks auf wunderbare Weise einen dunklen Drone-Teppich kontrakakieren.

Karin Park malt große Gemälde. Nach dem Hören des Albums bleibt ein düsteres, mystisches Gefühl zurück - ein Album wie ein Jim Jarmush Film. Parks Faszination mit der dunklen Seite des Lebens bleibt auch auf ihrem fünftem Longplayer ungebrochen. „Das Böse interessiert mich“, sagt Park mit einem geheimnisvollen Charme in ihren Augen und erzählt dann ganz nebenbei, dass sie nun in einer Kirche irgendwo im Nirgendwo Schwedens wohnt.

 

Wie auch immer man es benennen möchte, Karin Park ist eine starke, selbstbestimmte Frau, die keine Angst vor der Inszenierung hat. Wo andere Frauen ihre körperliche Größe lieber verstecken, zieht Karin Park sich extra-hohe Heels an. „Ich habe keine Angst davor, unheimlich zu wirken. Mal bin ich sehr feminin, mal sehr maskulin und oft irgendwas dazwischen“, sagt sie über ihren Spaß an der Sprengung von festgefahrenen Gendergrenzen. Diese Authentizität kommt auch in der Gay-Community an. „Queere Menschen sind kreativ und sehr feinfühlig, sie spüren, dass ich ein starker Mensch bin. Wir haben viel gemeinsam“, sagt Park über ihre loyalen Fans. Auf dem wohl wütendsten Song des Albums, „Hard Liquor Man“, hetzt sie so auch gegen Putin. „Der Song findet auf zwei Ebenen statt, ich wurde enttäuscht und rechne mit einem Mann ab, gleichzeitig ist es aber auch ein Protestsong, zu dem mich Pussy Riot inspiriert haben.“ Und was kann sie selbst als Künstlerin zur Gleichstellung Homosexueller beitragen? „Traurigerweise habe ich merken müssen, dass Worte alleine gar nichts bewirken“, so Park. „Was aber die Dinge ändern kann, ist dein Verhalten, dein state of mind, damit kann ich andere inspirieren.“

 

Das heißt aber nicht, dass Karin Park sich nun als Vorzeige-Vorbild abstempeln lassen will. Wenn die Sängerin etwas nicht leiden kann, dann ist es Klischeedenken. Etwa wenn weibliche Künstlerinnen ständig gefragt werden, ob sie auch gute Vorbilder für junge Mädchen seien. „Das macht mich wahnsinnig! Nicki Minaj und Rihanna sind ganz wunderbare Vorbilder, weil sie einfach machen, worauf sie Bock haben“, sagt Park und wird dabei fast laut. „Und wenn sie ihre Ärsche in die Kamera strecken, machen sie das zu ihren eigenen Bedingungen. Wenn jeder so ehrlich zu sich selbst wäre, dann wäre die Welt ein besserer Ort. Außerdem: Warum fragt eigentlich nie jemand ob Snoop Dogg ein gutes Vorbild ist?“

 

Ja, Karin Park ist noch immer bereit auf konstruktive Weise die Welt zu kritisieren, ohne dabei pessimistisch die Flinte ins Korn zu werfen. Viel mehr ist die Musikerin auf „Apocalypse Pop“ so ehrlich und aufrichtig sich selbst gegenüber wie noch nie zuvor. „Das Album begründet eine neue Ära“, sagt die mehrfache Gewinnerin des norwegischen Grammy. „Ich denke, es ist mein letztes Pop-Album und damit die erste Seite in einem neuen Kapitel“. Und dieses Kapitel beginnt sie mit einem Knall.