Leyya

Fotocredit: Gabriel Hyden

"Sauna?"
"Sauna."
Seit Marco Kleebauer und Sophie Lindinger entschieden haben, wie sie ihr neues Album nennen werden, wiederholt sich dieser kleine Dialog mit erstaunlicher Beständigkeit. Dabei sind die beiden keineswegs leidenschaftliche Schwitzgenossen oder Aufgussprofis – die beiden hatten etwas ganz anderes im Sinn: Die Sauna als Ort der Zusammenkunft, ohne soziale Schranken, wo die Nacktheit aller auch eine ultimative Gleichheit schafft. Ein Melting Pot - nicht zuletzt der damit verbundenen Temperaturen wegen. Und nichts symbolisiert diese Freiheit und Gleichheit besser, als der im Artwork allgegenwärtige Regenbogen – der noch dazu die Buntheit und Diversität darstellt, die Leyya auch ihrer Musik als Stempel mitgeben. "Saunasoll die Platte sein, bei der du die Farben raushörst.", sagen sie. 
Die thematische Hitze steckt teils sogar in den Titeln des Albums ("Heat"), den Schweiß hört man gerade bei Stücken wie "Oh Wow" geradezu tropfen. Die vertrackte Elektronik und Melancholie früherer Stücke wurde richtiggehend herausgeschwitzt. So sehr die Stücke auf "Sauna" mit Fiepen, Blubbern, Quietschen und gelegentlichem aus dem Rhythmus fallen gegen jede Konvention verstoßen, so sehr schreit die Platte in ihren grell leuchtenden Farben "Pop!" – und der war lange nicht so spannend wie hier.
Dass Leyya nicht auf ausgetretenen Pfaden spazieren zu gedenken, haben schon die Stücke gezeigt, die seit dem Erfolg des Debüts "Spanish Disco" (2015) veröffentlicht wurden. Der unwiderstehlich hämmernde Beat von "Butter", die Leichtigkeit und Verspieltheit von "Zoo", der vertrackte Reggae-Rhythmus von "Oh Wow". Die Vielfältigkeit und Buntheit ist Prinzip – und hat als Regenbogen sogar den Sprung auf das Albumcover geschafft. Und es zeigt, dass Leyya nach dem Erfolg von "Superego" keineswegs Lust hatte, eine Eintagsfliege zu bleiben.
Leyya hatten 2015 praktisch aus dem Nichts zu einem bemerkenswerten Erfolgslauf angesetzt. "Superego" war der Anlassfall, der seither mehrere Millionen Spotify-Plays, Radioeinsätze und TV- und Werbeverwertungen auf der ganzen Welt nach sich zog. Die Band erhielt 2017 den prestigeträchtigen "FM4 Award" bei den Amadeus Austrian Music Awards, erspielte sich auf den großen Festivals Publikum und Schlagzeilen. Die Liste prominenter Auftritte - Primavera, Iceland Airwaves, Reeperbahn Festival, Sziget – sie wurde seither beeindruckend lang. 
Wiewohl der damit fast klischeehafte Druck des vielfach herbeizitierten "schwierigen zweiten Albums" auch beim Komponieren ein Thema war: Einschüchtern haben sich Marco Kleebauer und Sophie Lindinger davon nicht lassen. Im Gegenteil: "Sauna" ist ein Album, das elegant den Spagat zwischen modernem Pop, nerdigen Effekten und originellen Instrumentierungen findet, als wäre es die leichteste Fingerübung der Welt.
Das Duo hat sich bei all dem entstandenen Tamtam seine Verspieltheit erhalten. Sophie Lindinger und Marco Kleebauer sprechen vom "Innovationsfaktor Naivität": "Wir möchten nicht immer dasselbe machen. Und wir haben durchaus den Anspruch, auch Inspirationsquelle für andere zu sein." Hört man sich in der in den letzten Jahren aufblühenden Musikstadt Wien um, so ist das keineswegs zu hoch gegriffen. Kleebauer produzierte bereits zwischendurch für seine Nebenprojekte Ant Antic und Karma Art sowie für Newcomer wie Naked Cameo oder zuletzt Oehl. Dass größere Namen anklopfen, scheint nur noch eine Frage der Zeit. Sophie Lindinger lieh ihre markante Stimme samt Texten etwa dem erfolgreichen Elektroniktüftler MOTSA.
"Wir haben einfach blöde Ideen konsequenter umgesetzt", sagt Marco Kleebauer – und bringt damit auf den Punkt, dass der Überraschungseffekt als Konzept in der sonst so perfekt durchgestylten Popwelt nicht nur ein legitimes, sondern auch ein durchaus sinnvolles Konstrukt sein kann. 
Nach der Blütezeit der Indie-Rock-Kapellen der 00er-Jahre und dem Aufkommen der DJ- und Producer-Projekte danach fand man es außerdem höchste Zeit, das Bandformat wieder zu rehabilitiere und neu zu erfinden. Bei aller Producer-Mentalität ist Leyya sowohl im Studio als auch Live (als Quartett) eigentlich ein Band-Projekt. Jeder ein Multi-Instrumentalist, jeder setzt Samples ein wie ein Spielzeug, das man am Weihnachtsabend nach allen Facetten der Kunst ausprobiert wird. Vielleicht kommt daher die geradezu kindliche Spielfreude und das fast spürbare Glitzern in den Augen (und Ohren).